Für mehr Biodiversität entlang der Solothurner Kantonsstrassen
Eine der wichtigen Erkenntnisse aus dem von Pro Natura erstellten Böschungsinventar ist, dass im Kanton Solothurn über ein Drittel der erfassten ökologisch wertvollen Böschungen entlang der Kantonsstrassen liegen. Zuständig für den Unterhalt dieser Böschungen ist das Amt für Verkehr und Tiefbau (AVT), mit welchem Pro Natura Solothurn schon seit mehreren Jahren in Austausch steht. Obwohl das AVT in den letzten Jahren schon einige Massnahmen zur Förderung der Biodiversität umgesetzt hat, besteht beim Böschungsunterhalt noch ein grosser Handlungsbedarf.
Denn der Grossteil der Wiesenböschungen wird im Spätsommer oder Herbst mit einem Schlegelmähwerk gemulcht. Die Pflanzen und mit ihnen auch viele Tiere werden in diesem Verfahren kleingehäckselt und bleiben als zum Teil dicke Abdeckung auf der Böschung liegen. Diese Abdeckung erschwert das Nachwachsen neuer Blumen und führt zu einer Nährstoffanreicherung. Statt blumenreicher Wiesen wachsen an diesen Böschungen nach teilweise wenigen Jahren nur noch artenarme Brachwiesen mit einer hohen Grasdeckung, Brombeeren und invasiven Neophyten. An vielen Böschungen entlang der Kantonsstrassen ist dieser Prozess im Gange und deutlich sichtbar.
Doch es gibt Lösungen, um dieser Entwicklung gegenzusteuern. Zusammen mit dem Amt für Verkehr und Tiefbau und dem Amt für Raumplanung hat Pro Natura im Rahmen der Aktion Hase & Co BL/SO 2021 ein Pilotprojekt lanciert, um die Möglichkeiten zur Umstellung hin zum ökologischen Böschungsunterhalt zu testen. Insgesamt 16 noch besonders wertvolle Böschungen wurden im letzten Jahr nicht mehr gemulcht, sondern mit einem Balken- oder Scheibenmähwerk gemäht. Das Schnittgut wurde zusammengerecht und abgeführt. Die eingesetzte Mähtechnik ist schonender für die Kleinlebewesen. Das Abführen des Schnittguts sorgt dafür, dass Sonnenlicht und Wärme auf den Boden gelangt und im kommenden Frühjahr wieder viele neue Blumen wachsen können. Einige der ausgewählten Böschungen wurden nicht erst im Herbst, sondern schon im Frühsommer ein erstes Mal gemäht, um die schleichende Verbuschung und Verbrachung an diesen Standorten aufzuhalten.
Ende Jahr konnten die Vertreter der verschiedenen Ämter und Pro Natura BL und SO ein gutes Fazit ziehen. Es gibt Alternativen zur bisherigen Praxis. Wichtig für den langfristigen Erhalt der zum Teil noch ausserordentlichen Naturwerte an den Strassenböschungen ist, dass ein schonendes Mähwerk eingesetzt und das Schnittgut zusammengerecht und abgeführt wird. Und die eher nährstoffreicheren oder schon stärker verbrachten Böschungen müssen zweimal jährlich gemäht werden. Die Umsetzung dieser Massnahmen ist mit jährlichen Mehrkosten verbunden und es scheint unrealistisch und auch nicht sinnvoll, dass dies auf allen Grünflächen erfolgen kann. Dank des Böschungsinventars können nun aber prioritäre Böschungen definiert werden. Pro Natura sieht für rund 100 Böschungen mit einer Gesamtfläche von 12 ha prioritären Handlungsbedarf. Der Ball liegt nun bei den involvierten Amtsstellen, um die Finanzierung dieses Mehraufwandes aufzugleisen, so dass in den nächsten Jahren die Umstellung auf ökologischen Böschungsunterhalt mindestens auf diese vorgeschlagenen Flächen ausgeweitet werden kann. Auf den 16 Böschungen des Pilotprojekts wird die schonende Pflege ab diesem Jahr weitergeführt.
Matthias Knecht, Projektmitarbeiter Hase & Co. BL/SO (Text und Foto)