Blühende Borde im Kanton Solothurn
Im Rahmen der «Aktion Hase & Co.», welche Pro Natura Solothurn zusammen mit der Sektion Baselland durchführt, soll darum ein besonderes Augenmerk auf die Böschungen gelegt werden. Pro Natura Baselland hat schon im Jahre 2013 das Projekt «Blühende Borde im Baselbiet» lanciert. Ziel des Böschungsprojektes ist, ökologisch wertvolle Böschungen zu schützen und nach Möglichkeit aufzuwerten. Dazu sollen auch Gemeinde-Werkhöfe, kantonale Unterhaltsdienste, Landwirte und Naturschutzvereine auf die ökologisch ausgerichtete Pflege von Böschungen sensibilisiert werden.
Was im Baselland in den letzten fünf Jahren erfolgreich gelingt, soll nun auch im Kanton Solothurn Früchte, respektive «Blüten», tragen. Denn Böschungen sind auch hier Bestandteil des Kulturlands und die Art und Weise, wie sie bewirtschaftet und gepflegt werden, beeinflusst ihren Wert als Lebensraum für Tiere und Pflanzen entscheidend. Im Fokus des Projekts stehen vor allem magere, blumenreiche Wiesen, die eine besonders hohe Artenvielfalt beherbergen können. An steilen Böschungen entlang der Verkehrswege oder im Landwirtschaftsgebiet werden Nährstoffe leichter ausgewaschen und je nach Exposition herrscht eine extrem hohe Sonneneinstrahlung. An solchen Standorten können artenreiche Magerwiesen überdauern, die in der landwirtschaftlich intensiv genutzten oder zersiedelten Landschaft sonst kaum mehr Platz finden. Die steilen Böschungen sind für eine intensive Nutzung nicht attraktiv und werden darum in der Regel nicht gedüngt. Dies ist ein weiterer wichtiger Grund, weshalb sich an Borden häufig noch wertvolle Magerwiesen finden.
Wie steht es nun um die Böschungen im Kanton Solothurn? Welche Naturwerte finden wir hier und inwiefern sind diese Naturwerte gefährdet? Diesen Fragen ist der junge Botaniker Raphael Weber diesen Sommer nachgegangen. Er hat im Rahmen eines Praktikums das Inventar ökologisch wertvoller Böschungen in den Bezirken Dorneck, Thierstein und Thal erstellt. Zwischen Mai und Juli ist er ein Grossteil der Hauptverkehrswege mit Fahrrad und Vespa abgefahren und hat auch Böschungen im Landwirtschafts- und Siedlungsgebiet aufgesucht. Böschungen mit mageren und blumenreichen Wiesen hat er nach einer im Baselbieter Projekt entwickelten Methode protokolliert und bewertet. So liegt nun ein Böschungsinventar vor, das rund 200 ökologisch wertvolle Böschungen dokumentiert. Das Inventar gibt Auskunft über den Standort der Böschung und die vorhandenen Naturwerte. Das Herz des Inventars ist die Auflistung der vorgefundenen Pflanzenarten, die charakteristisch für magere, trockene oder wechselfeuchte Wiesen sind. Im Inventar sind zudem auch vorhandene Strukturen wie Gehölze, Asthaufen oder Trockenmauern und Hinweise auf eine Gefährdung von Flora und Fauna festgehalten.
Das Böschungsinventar dokumentiert beeindruckende Naturwerte auf einer Gesamtfläche von 30 ha und einer Gesamtlänge von 50 km. Die Ergebnisse unterstreichen die Erfahrung aus dem Kanton Baselland: Böschungen stellen tatsächlich wichtige Lebensraum- und Vernetzungselemente in der Landschaft dar. Der Naturwert der Hälfte der neu inventarisierten Böschungen auf Solothurner Boden wurde als hoch oder sehr hoch eingestuft. Raphael Weber hat auch ein paar äusserst seltene Pflanzenarten gefunden. So wächst der Acker-Wachtelweizen (Melampyrum arvense), eine gefährdete Trockenrasen-Art, an einer Strassenböschung in Büren. Der gefährdete Knollige Geissbart (Filipendula vulgaris) – ein naher aber wenig bekannter Verwandter des Mädesüss – wächst an einer Strassenböschung in Nuglar. Und in Seewen konnten drei historische Fundorte des extrem seltenen Kümmelblättrigen Haarstrang (Peucedanum carvifolia) an Kleinböschungen bestätigt werden. Andere Gebiete mit besonders wertvollen Böschungen sind das Lützeltal (Gemeinde Kleinlützel), aber auch die Passwangstrasse oder die westlichen Thal-Gemeinden Herbetswil, Welschenrohr und Gänsbrunnen. Im lokalen Kontext vielleicht noch wertvoller sind aber die Böschungen in den dichter besiedelten und landwirtschaftlich intensiver genutzten Regionen, wie beispielsweise die Niederterrassen-Böschungen inmitten von Dornach.
Aus dem Böschungsinventar geht aber auch hervor, dass mehr als die Hälfte der wertvollen Böschungen gefährdet ist und bei vielen ein dringender Handlungsbedarf besteht. Die grössten Probleme bereiten verbrachende und verbuschende Borde sowie invasive Arten wie die Kanadische Goldrute, welche die wertvollen Pflanzenarten verdrängen. Wie im Kanton Baselland ist oft eine zu schwache oder unregelmässige Nutzung oder nicht sachgemässer Unterhalt die Ursache. V.a. Strassenborde werden oft gemulcht. Während das Mulchmesser verheerende Folgen für die Tiere hat, behindert das liegenbleibende Grüngut das Aufkommen der lichtbedürftigen Blumen.
Das Inventar wird nun als Grundlage dienen, um im Rahmen der «Aktion Hase & Co.» konkrete Massnahmen aufzugleisen. Rund zwei Drittel der wertvollen Borde liegt entlang von Gemeinde- und Kantonsstrassen, das heisst Unterhaltsdienste auf kommunaler und kantonaler Ebene werden wichtige Partner bei der Sicherung der Naturwerte sein. Falls nötig und sinnvoll, können mit Projektgeldern einmalige Aufwertungseinsätze finanziert werden, vorausgesetzt die langfristige Pflege ist durch die Partner vor Ort sichergestellt. Zudem hoffen wir, auch Naturschutzvereine und engagierte Leute in den Gemeinden motivieren zu können, ein Auge auf «ihre» Böschungen zu halten. Dass die Solothurner Borde es wert sind, dass sie als Lebensräume und Rückzugsorte für Tiere und Pflanzen gesichert werden, ist dank dem Böschungsinventar von Pro Natura bestens belegt.
Text: Matthias Knecht